|
Paul Schulte und Otto Fuhrmann in der
Uniform des Garde-Regiments in Berlin. Paul erwähnte, dass ihm
besonders die Uniform sehr gefallen hatte. Hinterste Reihe 3. v.
rechts Paul Schulte, 2. v. Rechts Otto Fuhrmann |
1914 brach in Europa der erste Weltkrieg aus. Der anfänglichen
Kriegseuphorie folgten in allen Ländern Europas die jungen Männer mit
Begeisterung und gingen als Freiwillige in den Krieg und so auch die
angehenden Priesterschüler aus Hünfeld, Paul und Otto. Sie hatten das
Gardemaß und kamen nach Berlin zu dem Garde-Infanterie-Regiment zu Fuß, dem
Augusta-Regiment.
Es ist wenig bekannt, was in den Jahren des
Krieges geschah. Aus Bilddokumenten der damals noch lebenden Tochter des
Bruders von Otto Fuhrmann ist zu erkennen, dass beide als angehende Priester
nicht als Infanteristen mit der Waffe kämpften, sondern in Feldlazaretten
dienten.
|
Bildunterschrift:
Grandier Otto Fuhrmann
Augusta Regt, Berlin Tempelhof
Juni 1915 |
|
Ein Foto aus der Dokumenten Sammlung Otto
Fuhrmann, Sanitäter, möglicherweise im Balkan. |
|
|
Ein Kampfflugzeug des Osmanischen Reichs. |
Im Laufe der Kriegsjahre wurden beide getrennt.
Otto musste nach Mazedonien und Paul kam zu einem Expeditionskorps, das in
Palästina als Unterstützung des osmanischen Heeres, vom Deutschen Reich
eingesetzt wurde. Dort kam er in Berührung mit einer osmanischen
Fliegereinheit, die in der Nähe von Damaskus stationiert war und er selbst
in einem seiner Bücher schreibt:
„Es war in Palästina
im letzten Kriegsjahr, als ich zum ersten Male als Soldat Gelegenheit fand,
in einem Militärflugzeug mitfliegen zu dürfen. Wir lagen neben einer
osmanischen Fliegerabteilung, zwei Tagesreisen hinter Damaskus. Ein
osmanischer Flugzeugführer nahm mich gegen einen „Bakschisch“ von zwanzig
Mark mit. Zur Vorsicht ließ ich mir seinen „Führerschein“ zeigen. Alles war
in Ordnung. Sussin, ein freundliches nettes Kerlchen, hatte schon viele
Flüge an den Dardanellen,
|
Flieger Paul Schulte |
in Kleinasien und zu den Inseln Lesbos und Cypern gemacht, mit teilweise
deutschen Beobachtern, so dass ich mich ihm mit gutem Gewissen anvertrauen
konnte. Der Start ging glänzend. Sussin flog eine ältere Rumpler. Mit einer
'Affenfahrt' ging's über den Boden, der weich war vom Regen. Ich hatte den
Eindruck, als wollte mir alles fortfliegen, was ich am Leibe hatte: Die
Fliegerbrille, die man mir noch im letzten Augenblick aufgesetzt, den Schal,
den ich nicht fest genug geknotet hatte, der Waffenrock, der an den Ärmeln
zu viel Luft einließ. Dazu musste ich auch noch meine „langen Gebeine“
irgendwo in dem engen Beobachtersitz unterstellen. Dann bemerkte ich erst,
dass wir schon 10 Meter hoch in der Luft waren, und ich hätte doch so gerne
den ersten Augenblick des Abschwebens von der Erde bewusst erlebt. Nun
schaute ich rechts und links hinunter und hatte trotz der an und für sich
beklemmenden „Fliegerpackung„ ein befreiendes Gefühl. Immer höher und höher
ging's. Nun eine Kurve. Wie es in den Verspannungsdrähten der Maschine
pfiff! Ich schaute in die weite Ferne. Wüste, Wasser, Dörfer und Berge, die
Hauran-Berge, der Antilibanon, der Hermon, der den See Genezareth zu seinen
Füßen sieht. So schön es war, immer konnten wir nicht oben bleiben, um mit
den Schäfchen-Wolken ein neckisches Spiel zu treiben. Nun kam der Moment,
den man eine Landung nennt. Ja, ja, Sussin, das hättest du besser machen
können, es war keine vorschriftsmäßige Landung. Das Vöglein hat sich auf die
Nase gestellt, genau wie die Enten im Wasser. Der Pilot war ärgerlich. Ich
verhielt mich passiv. Beide hingen wir im “Kehrt“ im Flugzeug. Losschnallen
und einen Purzelbaum schlagen war das Geschehen weniger Augenblicke. Dann
steckten wir uns eine Zigarette an und warteten auf die „Publikümmer„. Wie
war der langsame Überschlag gekommen? Die Erklärung ist einfach. Die
Maschine, die noch etwas Fahrt hatte, wurde unten, besonders weil der Boden
noch nicht ganz trocken war, zu stark abgebremst, sank ein wenig in den
weichen Boden und machte einen Überschlag, so dass dem „Vöglein“ die „Nase“
ein wenig blutete. Der Propeller war zur Hälfte gesplittert. Aber schön
war's doch gewesen. Begeistert schrieb ich alle meine Erlebnisse nach
Hause".
Paul Schulte war begeistert. Er meldete sich noch
in Palästina bei seinen Vorgesetzten, er wolle Kampfflieger werden. Auch
hier spielte wohl sein Geschick, das er später so eifrig nutzte, eine große
Rolle. Es gelang im Morgenland, seine Vorgesetzten zu überzeugen, dass er
ein guter Flieger werden würde und so schickte man ihn nach Nazareth zur
fliegerärztlichen Untersuchung, die er selbst als schwer beschrieb, aber er
bestand und wurde sofort in die Heimat abkommandiert. Heimat, süße Heimat,
jubilierte er. |
Es war schon alles eine seltsame Fügung ausgerechnet nach Palästina zu
kommen. Was mag in dem Mann vorgegangen sein? Er bereitet sich vor auf ein
Leben als Missionar und Priester und kommt nach den Fronteinsätzen in
Europa, die er überlebt hatte, als Soldat ins Heilige Land. Er erwähnt nur
beiläufig Nazareth, ein Ort, der für jeden Christen so hohe Symbolkraft
besitzt. Dort beginnt seine fliegerische Laufbahn, zunächst mit der
Tauglichkeits-untersuchung, die er besteht. Das Land, in dem sein so innig
angebeteter Heiland gelebt hatte, ist ihm kaum eine Zeile wert, doch er
träumt, wie vermutlich alle Soldaten von der „süßen“ Heimat. Auch musste er
deutlich vor Augen gehabt haben, dass die Lebenserwartung der Kampfflieger
an der Front deutlich unter einem halben Jahr lagen. Alle die großen
'Kanonen', wie er sie nannte, waren bereits gefallen. Immelmann, Boelcke und
Richthofen. Was hat ihn so bewegt, Kampfflieger zu werden muss man fragen.
Darauf findet man keine Antwort. Auch die Missionare waren von ihren
Aufgaben erfüllt und gingen in die fernen Länder, meist mit einem Ticket
ohne Rückfahrschein, wie später sein bester
Freund
Otto Fuhrmann. Die Lebenserwartung der Missionare lag bei etwa 4-5 Jahren,
die der Piloten des 1.Weltkrieges bei einigen Monaten. Paul Schulte hatte
zwei Brüder und eine Schwester. Von seinem älteren Bruder wissen wir, dass
er im großen England Bombengeschwader diente und 1918 als Beobachter über
London abgeschossen wurde. Nach Ende des Krieges 1918 verstarb der Bruder in
englischer Gefangenschaft. Er liegt in der Nähe von London in Leeds auf
einem Soldatenfriedhof begraben. Aber das war sicherlich nicht seine
Motivation, seinem Bruder nachzueifern. Er reist über Damaskus, Aleppo,
Konstantinopel, Sofia, Belgrad, Wien nach Berlin. Schulte erhielt noch 1918
seinen militärischen Flugzeugführerschein, kam aber nicht mehr zum
Fronteinsatz, da der 1.Weltkrieg mit dem Sieg über das Kaiserreich beendet
wurde. Paul und Otto überstanden den Krieg und kehrten nach Hünfeld zurück,
um die theologischen Studien weiter zu betreiben. |