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     "Warum mußten wir mit 16 Jahren Flakgeschütze bedienen?"
     Die Geschichte der Kölner Luftwaffenhelfer
                           
von Hermann Josef Falkenstein
 
Start Vorgeschichte Ausbildung Luftabwehr Einsatz Luftkrieg Kriegsende
   
  Der Einsatz
 
Nachdem 1943 der erste Jahrgang 1926 als Luftwaffenhelfer eingezogen wurde, installierte man mit dem Direktor des Hansa Gymnasiums Herr Dr. Halfmann einen Betreuungslehrer für alle Luftwaffenhelfer, der auch Verbindungslehrer zu den Flakgruppen im Kölner Raum war. Aus seinen Aufzeichnungen sind die beiden Kopien mit den Daten der am 5. Febr.1944 eingezogenen Schüler und deren Stationierungen in den diversen Flakstellungen zum 5. Februar und 20. März 1944 aufgeführt. Eines Tages wurden aber auch wir an der Kaserne abgeholt und zu einer Flakstellung gebracht. Wir wußten noch nicht wohin die Fahrt oder der Marsch ging, doch waren wir trotz des 14-tägigen Sonderaufenthaltes erstmal froh, endlich dem Kasernendrill und den Schleifern entronnen zu sein und voller Erwartungen, selber im Einsatz und an feuerbereiten Geschützen zu stehen, deren Kanonendonner wir seit 1940 zumeist in den Nächten während der Luftangriffen der englischen RAF hörten, wobei wir oft Stunden in engen Luftschutzkellern verbrachten und Morgens auf dem Weg zur Schule eifrig die Splitter der Flakgranaten sammelten. Nun also kam der Tag, der uns von Schleifern und Kasernendrill weg an Flakgeschütze führte, an denen wir uns gegen die Luftangriffe wehren konnten.

Unterkunftsbaracke der Luftwaffenhelfer
Grundriss einer einer typischen Unterkunftsbaracke für Luftwaffenhelfer.
Luftbild der RAF Flakstellung Flughafen Köln Butzweilerhof
Luftbild der 2cm-Flakstellung von Hermann-Josef Falkenstein südlich des Butzweilerhofs.
Wir, das waren 12 von 252 Schülern des Jahrgangs 1928, die gemäß der Anforderung der 7. Flakdivision auf die Flakstellungen: Blücherpark, Longerich, Butzweilerhof, Stöckheimer Hof, Müngersdorf sowie Groß-Königsdorf im Verhältnis der Größe der Batterien verteilt wurden. Wir wurden der "Leichten Flakbatterie IV.4./ 749" am Butzweilerhof zugeteilt, eine Batterie die mit drei 2,0 cm Flakgeschützen belegt war. Die Kennung bedeutet: IV. Zug - 4.Batterie - Flakabteilung 749. Die Stellung, wo wir nach einer kurzen Tour landeten, war, wie noch einige andere Batteriestellungen, beim Flugplatz Butzweilerhof gelegen, wobei dies in der Mehrzahl leichte Flakbatterien waren. In dem Kartenausschnitt sind die Lagen einiger Batteriestellungen eingetragen. Diese sind auch in Luftbildaufnahmen der RAF und US-Höhenaufklärer, die fast täglich aus großer Höhe Luftaufnahmen machten, zum Teil erkennbar.

Nach diesem Exkurs zurück zur Stellung des IV.Zuges, Leichte Flakbatterie 4./749 am Flugplatz Butzweilerhof. Dort angekommen, wurden wir vom Batteriechef, ein junger Leutnant, empfangen und in Kürze mit dem vertraut gemacht, was uns in Zukunft erwarten werde. Danach übernahm uns ein Feldwebel oder Unteroffizier und führte uns in unsere „Stube“,
Grundriss meiner 2cm-Flakstellung
Zeichnung der 2cm-Flakstellung von Hermann-Josef Falkenstein
 eine Holzbarracke, die fast bis zu Dach in denn Luftbild der RAF von unserer Stellung Boden eingegraben war, und in der, wie die Gedächnisskizze zeigt, sechs 2-geschossige Bettgestelle mit Strohmatratzen, 2 Tische, Stühle, 6 Doppelspinde und 6 Doppelspinde sowie ein Kanonenofen standen. Die Baracke hatte 2 Doppelfenster.
 
Zwischen unserer Baracke und der nebenstehenden Unteroffiziers-Barracke war ein Vorraum in dem auch in dem auch noch Spinde und sonstige Gegenstände standen. Die Stellung lag in unmittelbarer Nähe zum Flugplatz Butzweilerhof. Nach der aus dem Gedächtnis aufgezeichneten Skizze lag die Stellung im freien Feld. Drei leichte Flakgeschütze, Kaliber 2,0 cm, waren in einem Dreieck und innerhalb von Schutzwällen auf Podesten aufgestellt. Neben den Geschützen standen die Mannschaftsbaracken sowie eine separate Baracke für den Batterieführer. Zum Flugplatz waren es ca. 15 Minuten quer feldein. Nach Ossendorf führte ein Feldweg, der auch die Eisenbahnstrecke zum Verschiebebahnhof Nippes querte.



In der Stellung unserer 2 cm Flakstellung 
In unserer Stellung
Zwischen 18 Uhr und 6 Uhr am anderen Morgen musste im 2 – Stundenwechsel Nachtwache, dann im selben Wechsel Tagwache geschoben werden. Zu Beginn der Tagwache mußten im täglichen Wechsel, ein oder auch 2 Mann von uns mit einem fahrradanhängerähnlichen Karren zur ca. 500 Meter entfernten Kantine im Fliegerhorst Butzweilerhof gehen um Verpflegung für das Frühstück, das aus Komissbrot, Margarine, Marmelade oder Kunsthonig - und als Abendverpflegung wiederum aus dem Komißbrot, Margarine, Käse und einer dicken Scheibe wenig appetitlicher Blutwurst und, wie am Morgen, ein paar Litern Malzkaffee bestand. Um pünktlich zum Morgenappell um 7 Uhr zu erscheinen, mußten sich der Kaffeeholer schon arg sputen. Der morgendliche Stubendienst wurde derweilen von den Anderen erledigt. Nach dem Appell war dann, entsprechend des Dienstplans, Einweisungen und Exerzieren an den Geschützen und danach Waffenreinigung und Pflege angesagt. Nun habe ich keine genaue Erinnerung mehr daran, wie wir an unser Mittagessen gekommen sind - höchst- wahrscheinlich aber auf demselben Weg, wie zum Frühstück und Abendbrot haben wir uns das im Butzweilerhof holen müssen!??

In dem Erlass des Reichsluftfahrtministeriums war festgelegt, daß bei „dienstlicher Beanspruchung ...auf die leichte Ermüdung der Jugendlichen im Entwicklungsalter Rücksicht zu nehmen sei. Der Jugendliche brauche durchschnittlich 10 Stunden Schlaf. Bei Nachtdienst ist ausreichend Bettruhe bei Tag anzuordnen.“ Auch sollten wir eine gewisse Zahl an Unterricht erhalten, zu dem die Lehrer in die Stellung kommen sollten. Daß wir nach dem Mittagessen in den Kojen gelegen haben, ist mir ebenso wenig in Erinnerung wie an häufige Unterrichtsstunden in der Stellung. Welche Früchte hätten zu jener Zeit solche Unterrichtungen auch tragen sollen, wenn wir bei Tag und Nacht psychischen wie auch physischen Belastungen ausgesetzt waren, die uns für schulische Lehrstoffe wenig aufnahmefähig machten!??
Nach der Mittagspause folgte gelegentlich eine „Putz- und Flickstunde“ in der wir unsere Kleidung in Ordnung bringen und die Löcher in den Socken stopfen sollten. Sodann folgten Unterrichtungen und Übungen wie zum Beispiel „ Waffenkunde- und Flugzeugerkennung “. Dazu gab es Schautafeln, Beschreibungen und bei der Flugzeugerkennung Transparente mit Dreiseitenansichten von eigenen und Feindflugzeugen sowie maßstäbliche Flugzeugmodelle aus Holz, die nach dem Anschauen und den Erklärungen wieder in Aufbewahrungskisten verschlossen wurden.

Flugzeugerkennungsblatt der LuftwaffenhelferAls die amerikanischen Truppen bei ihrem Vormarsch zum Rhein bei Stommeln die Stadtgrenze von Köln erreichten, wurden die meisten Stellungen der Wehrmacht und Flak geräumt. In einer unserer letzten Stellung wurden die oben gezeigten Dreiseitenansichten von Flugzeugen, die ich von dem vorbeschriebenen Lehrgang her kannte, zurückgelassen, die so in meinen Besitz gelangt. Wie uns bei den theoretischen Unterrichtsstunden erklärt wurde, war das Erkennen von Flugzeugen, ob „Freund oder Feind“ von besonderer Bedeutung für die Entscheidungen über die nachfolgenden Aktionen: “Beobachten oder Bekämpfen„, weshalb es Sonderlehrgänge zu diesem Thema gab. Zu einem dieser Lehrgänge, die im Kloster Heisterbach bei Oberdollendorf stattfanden, wurden Günter Breiken und ich abkommandiert. Beim Unterricht wurden die gängigen feindlichen und eigenen Flugzeugtypen an Schautafeln ausführlich erklärt und anschließend an einer Demonstrationsanlage vorgeführt, wobei kleine Flugzeugmodelle an einer unter der Decke angeordneten Bahn so über eine Dreieckstrecke bewegt wurden, daß sie im Anflug, Vorbeiflug und Abflug zu sehen waren. Diese Übungen wurden bei Tageslicht und auch im abgedunkelten Raum, bei dem die Flugzeuge von unten angestrahlt wurden, durchgeführt. Danach musste man seine Erkenntnisse in eine Tabelle eintragen, die anschließend bewertet wurde. Eines dieser Prüfungsblätter das erhalten geblieben ist, trägt das Datum der Prüfung, und somit auch den Zeitpunkt, an dem dieser Lehrgang stattgefunden hat: Mitte Juli 1944.

 





FlugzeugerkennungstestDer offizielle Dienstschluss war um 18 Uhr, wobei öfters vorher noch ein Stubenappell „ablief“ bei dem es auch gelegentlich zu  Ausfällen des „Schleifers “ (Uffz) kam, was sich aber zu Mitte des Jahres änderte, als uns ein älterer Unteroffizier, namens Pütz, ein kölsches Urgestein, zugeteilt wurde, der einen eigenen militärischen Führungsstil praktizierte. So kam er auch schon mal zu einem Klaaf in unsere Stube und erzählte uns von zuhause und seinem früheren Beruf, wo er in der Kölner Uni als Gehilfe in der Pathologie Leichen gewaschen und versorgt hatte. Die dabei erworbene „Gelassenheit “ übertrug er dann und wann auch auf die Auslegung militärischer Regeln, indem er sich abends auf sein Fahrrad setzte und zum Schlafen nach Hause fuhr!!
 
Besuch auf dem Butzweilerhof italienisches Jagdflugzeug REGGIANE 2000
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Wie wir die Abende in der Stellung meistens verbrachten, ist mir nur noch bruchstückhaft in Erinnerung. Gelegentlich sind wir jedenfalls zum Fliegerhorst gelaufen und haben uns dort ein wenig umgesehen, was aber von der Platzmannschaft nicht immer gerne gesehen wurde. Nachdem wir im März unsere Personalausweise erhielten, gab es keine Probleme mehr. Da die Flugzeughallen meistens geschlossen waren, konnten wir nur selten sehen, was sich in deren Innern abspielte.

Luftwaffenhelfer im DienstanzugDie ,,KIamotten“ die wir auf dem Foto anheben, waren jedoch nicht unsere „Ausgeh-Uniform“. Diese bestand nämlich, wie auf dem nebenstehenden Foto ersichtlich, aus einer blaugrauen Bluse mit aufgesetzten Taschen und Schulterklappen mit einer langen Überfallhose, in die man die Bluse einziehen musste, einem Luftwaffen-Lederkoppel und einem ,,Schiffchen“ oder Schirmmütze. Über der rechten Brusttasche der Bluse wer der gestickte, silberne Luftwaffenadler aufgenäht, den wir mit Stolz trugen, im Gegensatz zu der HJ-Armbinde mit dem Heckenkreuz, die wir meistens in der Tasche trugen. Während die HJ-Führer-(allerdings ohne Erfolg) darauf bestanden, kümmerten sich unsere militärischen Vorgesetzten überhaupt nicht darum. HJ-Führer sahen wir euch höchstens mal beim Ausgang. Außerdem hätten diese auch keinerlei Befugnisse oder gar Befehlsrechte über uns. Aufgrund der gemäß dem Führerbefehl erlassenen Anordnungen über den Kriegshilfsdienst der deutschen Jugend in der Luftwaffe vom 25.1.1943 wurden die Luftwaffenhelfer zwar nicht den regulären Soldaten gleichgestellt, erhielten jedoch wie diese einen Wehrsold von täglich 0,50 Reichsmark, d. h die Hälfte des Tagessatzes eines Soldaten im unteren Dienstgrad. Weiter konnten sie nach einer Dienstzeit von 9 Moneten zum Luftwaffen·0berheIfer befördert werden, wenn sie eine volle Ausbildung an einer Waffe oder einem Gerät erhalten hatten, was der Batteriechef in den Personalpapieren und dem Personalausweis zu bescheinigen hatte. Als Dienstgradabzeichen trugen LwH an jeder Schulterklappe eine 13 mm breite, silberne Borte. Auch sonst waren sie in den wesentlichen Punkten den regulären Soldaten gleichgestellt, empfingen Truppenverpflegung (mit Zulagen für Jugendliche?), Militärurlaubsscheine, Wehrmachtfahrscheine, und bei ,,ehrenvoller Entlassung“ für jeden nach dem 16. Geburtstag geleisteten Dienstmonat ein Entlassungsgeld von 16.- Reichsmark.


              Übungsschießen
 
Nachdem wir durch das tägliche Geschütz Exerzieren mit der Handhabung der Waffen vertraut war, aber bis dahin noch nie einen Schuss abgefeuert hatten, wurden wir an einem kalten Märzmorgen auf einem offenen Lastwagen zum Truppenübungs- und SchießpIatz Elsenborn, südlich von Monschau / Elsenborn auf belgischem Staatsgebiet gelegen, gefahren. Der SchießpIatz lag in einem großen Waldgebiet, wo am Waldrand auf einer weiten, freien Schneise Geschütze verschiedenen Typen, darunter 2 cm und 3,7 cm Flakgeschütze aufgebaut waren. Unserer Einheit wurde ein 2 cm Geschütz zugewiesen und wir warteten nun darauf, dass ein angekündigtes Ziel-Darstellungsflugzeug, das einen weis-rot gestreiften Luftsack hinter sich herzog auf den wir schießen sollte, auf der Bildfläche erschien. Wir warteten 1/2 Stunde, eine Stunde, eine weitere Zeit, bis bekannt gegeben wurde, daß das Zielflugzeug auf dem Weg vom Flugplatz Wahn wegen andauernder Tieffliegergefahr noch nicht starten konnte. Bei dem Zielflugzeug handelte es es sich um eine Junkers W 34, eine 1-motorige, langsame Maschine, die für die amerikanischen Jagdflugzeuge eine leichte Beute gewesen wäre. Als sie dann doch endlich erschien, drehte sie eine erste Platzrunde und die Richtkanoniere (K1) nahmen auf dem Richtkanoniersitz Platz, worauf der Geschützführer ein rotes Fähnchen vor das Visier hielt, dass er beim nächsten Anflug der Maschine wegschwenkte und das Kommando "Feuer Frei" gab. Es wurde mit scharfer Munition auf den weis-roten Schleppsack hinter der JU geschossen. Ich erinnere mich, dass ich vor Iauter Aufregung erst mit dem Schießen begann, als das Schleppflugzeug schon 3/4 der Schießstrecke durchflogen hatte. Einer der nächsten Richtkanoniere war Heinz Schäfer der mich weit in den Schatten stellte. Er war so aufgeregt, dass er das Schleppflugzeug und nicht den Schleppsack anvisierte und beschoß - und auch Treffer erzielte, die durch eine Rauchfahne sichtbar wurden, worauf die Maschine sofort abdrehte und auf Nimm-Wiedersehen verschwand. Das war der erste Abschuß unserer Batterie, der, da außer uns auch noch weitere Batterien auf dem SchießpIatz warteten, nicht beklatscht wurde und nur ehemalige Wehrangehörige können sich vorstellen, was danach los war !!
Junkers W34 Zieldarstellungsflugzeug


Zwischendurch bekam ich auch Post von meinem Freund Hans der an der Front im Hürtgenwald lag.


Urlaubsschein für FlakhelferUrlaubsschein für FlakhelferGemäß den Vorschriften hatten Luftwaffenhelfer Anspruch auf 14 Tage ErhoIungsurlaub, der mir mit dem unten abgebildeten Kriegsurlaubschein vom 23.0ktober bis 9. November 1944 genehmigt wurde. Wie auf der Rückseite zu lesen, mußte man auch im Urlaub strenge Vorschriften beachten. Diesen Urlaub verbrachte ich bei Verwandten in Iandwirtschaftlicher Umgebung in der Eifel und kehrte am Abend des 9.November guten Mutes und einem mit Lebensmitteln vollgepackten Holzkoffer, den mir Günters Vater geschenkt hatte, in die Steilung zurück. Dieser Koffer ist mit einem unvergeßlichen Ereignis verbunden, über das ich später noch berichte.
     
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